Offener Brief
heute erhalten, zum Mitdenken hier veröffentlicht:
Dr. Michael Jonas
Facharzt für Innere Medizin
Rohrmahd 6
A 6850 Dornbirn
+43-(0)664-1421195
michael.jonas@cable.vol.at 16. Januar 2011
ergeht an:
• Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
z. H. BM Rudolf Hundstorfer (Aufsichtsbehörde der PVA)
• Pensionsversicherungsanstalt, Generaldirektion Wien
• Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Vorarlberg
• ÖVP, Vorarlberg
• SPÖ, Vorarlberg
• FPÖ, Vorarlberg
• Die Grünen, Vorarlberg
• Vorarlberger Nachrichten
z. H. Dr. Eugen Russ, Herausgeber
• Ärztekammer für Vorarlberg
Sehr geehrter Herr Bundesminister!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ein dreijähriges Kind wurde gewaltsam getötet (Cain K. aus Bregenz).
Der 26jährige mutmaßliche Täter (Milosav M.) war Medienberichten zufolge bereits in der Vergangenheit gewalttätig; er bezieht eine befristete Invaliditätspension.
Die Öffentlichkeit ist über drei Fakten erschüttert:
1. den gewaltsamen Tod eines dreijährigen Kindes
2. das mögliche Versagen der zuständigen Behörden bzw. fehlende Präventionsmaßnahmen
3. die Tatsache, dass der Gewalttäter trotz seines jungen Alters eine Pension bezieht.
(Für manche ist auch die Tatsache von Bedeutung, dass der Täter serbischer Staatsbürger ist.)
Als Bürger, Vater und Arzt bin auch ich über dieses Verbrechen entsetzt. Ich habe großes Verständnis für die Emotionen, die der gewaltsame Tod eines dreijährigen Kindes auslöst.
Als Verantwortlicher des chefärztlichen Dienstes der PVA-Landesstelle in Vorarlberg bin ich allerdings darüber hinaus über die medialen Äußerungen verschiedener politischer Verantwortungsträger, die Berichterstattung in der auflagenstärksten Vorarlberger Tageszeitung und den Großteil der anonymen Beiträge in diversen Internetforen (bis zum Aufruf zur Lynchjustiz) tief betroffen und bestürzt. Vor allem da in diesem Zusammenhang wesentliche Institutionen (PVA), Gutachterärzte, Psychiater diskreditiert werden: Daniel Allgäuer, FPÖ-LAbg. und Obmann des Kontrollausschusses des Vorarlberger Landtages,:„.. Kein Mensch hat Verständnis dafür, wenn ein junger Mann in diesem Alter in Pension geschickt wird und man nicht versucht, ihn wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren“, Dieter Egger; FPÖ-Obmann,: „Hier liegt offensichtlich ein markanter Systemfehler vor. Ich habe seit Bekanntwerden des Falles, mehrere Fälle auf den Tisch bekommen, in denen Personen aufgrund von Drogenabhängigkeit in Frührente geschickt wurden“, Michael Ritsch, SPÖ-Obmann,: „der Unmut und das Unverständnis der Bevölkerung über die Frühpensionierung von Milosav M. ist verständlich“; weshalb Ritsch vorschlägt, dass die für Invaliditätspensionen zuständige Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Fakten dieses Falles auf den Tisch legen soll.
In unserem Rechtsstaat steht jedem Bürger Rechtssicherheit zu - auch einem Straftäter. Aus ärztlicher Sicht ist die Schweigepflicht und der Datenschutz für medizinische Sachverhalte von höchster Bedeutung; Verstöße dagegen haben i. d. R. weitreichende juristische Konsequenzen.
Das öffentliche Interesse an jenen Umständen , die zu einer befristeten Invaliditätspensionierung von Milosvav M. geführt haben, ist nachvollziehbar.
Die Veröffentlichung von Teilen der ihn betreffenden medizinischen Gutachten in der auflagenstärksten Vorarlberger Tageszeitung widerspricht hingegen ganz entschieden den Grundsätzen ärztlicher Verschwiegenheit.
Die Veröffentlichung von Inhalten des Gutachtens in den ‚Vorarlberger Nachrichten’ am 14.1.2011 bleibt zwar aufgrund der Pressefreiheit vermutlich ohne rechtliche Konsequenz, ist aber mit journalistischer Verantwortung den Persönlichkeitsrechten von Bürgern und Bürgerinnen gegenüber – auch wenn es sich dabei um Straftäter handelt – nicht in Einklang zu bringen.
Die Weitergabe wesentlicher Inhalte des Gutachtens an die Presse durch wen auch immer kann nur als skandalös bezeichnet werden.
Das fehlende Gespür bei der Interpretation eines medizinischen Gutachtens durch den ehemaligen NR-Abg. und ÖVP-Sozialsprecher (und Nichtmediziner) Dr. Gottfried Feurstein im Umgang mit derart sensiblen Daten bedaure ich außerordentlich.
Der Hinweis auf den betreffenden Gutachter in diesem Verfahren („Psychiater aus Hohenems“, in Hohenems gibt es nur einen solchen Facharzt!) ist juristisch zu hinterfragen.
Ich habe Verständnis dafür, dass politische Verantwortungsträger über die Gründe, die zu einer Invaliditätspension eines Straftäters führen, informiert werden wollen. Ich wundere mich jedoch über Schlussfolgerungen und Mutmaßungen in entsprechenden öffentlichen Stellungnahmen, die geäußert werden, noch ehe sich diese ein objektives Bild vom tatsächlichen Sachverhalt gemacht haben können. Mit dem Anspruch an eine sachliche, sich an Fakten orientierende und verantwortungsbewusste Politik ist ein solches Vorgehen nicht zu vereinbaren. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass damit einmal mehr unter der Bedienung üblicher Ressentiments politisches Kleingeld gewechselt werden soll.
Unverständlich ist für mich die bisherige Zurückhaltung der zuständigen Aufsichtsbehörde (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), die der Öffentlichkeit präventiv sofort nach Bekanntwerden der Fakten eine Prüfung des Pensionsaktes zusagen müsste und der Presse auf der Basis gesetzlicher Grundlagen Rede und Antwort stehen sollte.
Ich hoffe im allgemeinen Interesse, dass der zur Diskussion stehende Pensionsakt von der Aufsichtsbehörde lückenlos und mit der nötigen juristischen Sorgfalt geprüft wird.
Damit das Vertrauen der Versicherten in die Sicherheit ihrer Daten nicht noch weiter erschüttert wird, müssen aber auch die Umstände der ungesetzlich erfolgten Weitergabe der medizinischen Daten dieses Falles an die Tagespresse lückenlos aufgeklärt werden.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme und freundlichen Grüßen
Dr. Michael Jonas
Dr. Michael Jonas
Facharzt für Innere Medizin
Rohrmahd 6
A 6850 Dornbirn
+43-(0)664-1421195
michael.jonas@cable.vol.at 16. Januar 2011
ergeht an:
• Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz
z. H. BM Rudolf Hundstorfer (Aufsichtsbehörde der PVA)
• Pensionsversicherungsanstalt, Generaldirektion Wien
• Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Vorarlberg
• ÖVP, Vorarlberg
• SPÖ, Vorarlberg
• FPÖ, Vorarlberg
• Die Grünen, Vorarlberg
• Vorarlberger Nachrichten
z. H. Dr. Eugen Russ, Herausgeber
• Ärztekammer für Vorarlberg
Sehr geehrter Herr Bundesminister!
Sehr geehrte Damen und Herren!
Ein dreijähriges Kind wurde gewaltsam getötet (Cain K. aus Bregenz).
Der 26jährige mutmaßliche Täter (Milosav M.) war Medienberichten zufolge bereits in der Vergangenheit gewalttätig; er bezieht eine befristete Invaliditätspension.
Die Öffentlichkeit ist über drei Fakten erschüttert:
1. den gewaltsamen Tod eines dreijährigen Kindes
2. das mögliche Versagen der zuständigen Behörden bzw. fehlende Präventionsmaßnahmen
3. die Tatsache, dass der Gewalttäter trotz seines jungen Alters eine Pension bezieht.
(Für manche ist auch die Tatsache von Bedeutung, dass der Täter serbischer Staatsbürger ist.)
Als Bürger, Vater und Arzt bin auch ich über dieses Verbrechen entsetzt. Ich habe großes Verständnis für die Emotionen, die der gewaltsame Tod eines dreijährigen Kindes auslöst.
Als Verantwortlicher des chefärztlichen Dienstes der PVA-Landesstelle in Vorarlberg bin ich allerdings darüber hinaus über die medialen Äußerungen verschiedener politischer Verantwortungsträger, die Berichterstattung in der auflagenstärksten Vorarlberger Tageszeitung und den Großteil der anonymen Beiträge in diversen Internetforen (bis zum Aufruf zur Lynchjustiz) tief betroffen und bestürzt. Vor allem da in diesem Zusammenhang wesentliche Institutionen (PVA), Gutachterärzte, Psychiater diskreditiert werden: Daniel Allgäuer, FPÖ-LAbg. und Obmann des Kontrollausschusses des Vorarlberger Landtages,:„.. Kein Mensch hat Verständnis dafür, wenn ein junger Mann in diesem Alter in Pension geschickt wird und man nicht versucht, ihn wieder in den Arbeitsprozess zu integrieren“, Dieter Egger; FPÖ-Obmann,: „Hier liegt offensichtlich ein markanter Systemfehler vor. Ich habe seit Bekanntwerden des Falles, mehrere Fälle auf den Tisch bekommen, in denen Personen aufgrund von Drogenabhängigkeit in Frührente geschickt wurden“, Michael Ritsch, SPÖ-Obmann,: „der Unmut und das Unverständnis der Bevölkerung über die Frühpensionierung von Milosav M. ist verständlich“; weshalb Ritsch vorschlägt, dass die für Invaliditätspensionen zuständige Pensionsversicherungsanstalt (PVA) die Fakten dieses Falles auf den Tisch legen soll.
In unserem Rechtsstaat steht jedem Bürger Rechtssicherheit zu - auch einem Straftäter. Aus ärztlicher Sicht ist die Schweigepflicht und der Datenschutz für medizinische Sachverhalte von höchster Bedeutung; Verstöße dagegen haben i. d. R. weitreichende juristische Konsequenzen.
Das öffentliche Interesse an jenen Umständen , die zu einer befristeten Invaliditätspensionierung von Milosvav M. geführt haben, ist nachvollziehbar.
Die Veröffentlichung von Teilen der ihn betreffenden medizinischen Gutachten in der auflagenstärksten Vorarlberger Tageszeitung widerspricht hingegen ganz entschieden den Grundsätzen ärztlicher Verschwiegenheit.
Die Veröffentlichung von Inhalten des Gutachtens in den ‚Vorarlberger Nachrichten’ am 14.1.2011 bleibt zwar aufgrund der Pressefreiheit vermutlich ohne rechtliche Konsequenz, ist aber mit journalistischer Verantwortung den Persönlichkeitsrechten von Bürgern und Bürgerinnen gegenüber – auch wenn es sich dabei um Straftäter handelt – nicht in Einklang zu bringen.
Die Weitergabe wesentlicher Inhalte des Gutachtens an die Presse durch wen auch immer kann nur als skandalös bezeichnet werden.
Das fehlende Gespür bei der Interpretation eines medizinischen Gutachtens durch den ehemaligen NR-Abg. und ÖVP-Sozialsprecher (und Nichtmediziner) Dr. Gottfried Feurstein im Umgang mit derart sensiblen Daten bedaure ich außerordentlich.
Der Hinweis auf den betreffenden Gutachter in diesem Verfahren („Psychiater aus Hohenems“, in Hohenems gibt es nur einen solchen Facharzt!) ist juristisch zu hinterfragen.
Ich habe Verständnis dafür, dass politische Verantwortungsträger über die Gründe, die zu einer Invaliditätspension eines Straftäters führen, informiert werden wollen. Ich wundere mich jedoch über Schlussfolgerungen und Mutmaßungen in entsprechenden öffentlichen Stellungnahmen, die geäußert werden, noch ehe sich diese ein objektives Bild vom tatsächlichen Sachverhalt gemacht haben können. Mit dem Anspruch an eine sachliche, sich an Fakten orientierende und verantwortungsbewusste Politik ist ein solches Vorgehen nicht zu vereinbaren. Es drängt sich vielmehr der Verdacht auf, dass damit einmal mehr unter der Bedienung üblicher Ressentiments politisches Kleingeld gewechselt werden soll.
Unverständlich ist für mich die bisherige Zurückhaltung der zuständigen Aufsichtsbehörde (Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz), die der Öffentlichkeit präventiv sofort nach Bekanntwerden der Fakten eine Prüfung des Pensionsaktes zusagen müsste und der Presse auf der Basis gesetzlicher Grundlagen Rede und Antwort stehen sollte.
Ich hoffe im allgemeinen Interesse, dass der zur Diskussion stehende Pensionsakt von der Aufsichtsbehörde lückenlos und mit der nötigen juristischen Sorgfalt geprüft wird.
Damit das Vertrauen der Versicherten in die Sicherheit ihrer Daten nicht noch weiter erschüttert wird, müssen aber auch die Umstände der ungesetzlich erfolgten Weitergabe der medizinischen Daten dieses Falles an die Tagespresse lückenlos aufgeklärt werden.
Mit der Bitte um Kenntnisnahme und freundlichen Grüßen
Dr. Michael Jonas
rauch - 17. Jan, 13:31
Heinz Bachner (Gast) - 18. Jan, 08:48
Friedliche Männlichkeit
Ich glaube man sollte solchen Tätern vermitteln, dass es einfach um eine "friedliche Männlichkeit" geht - der Autor Peter Redvoort hat dazu ein inspirierendes Buch geschrieben ...
Heinz B.
Heinz B.
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