Die Rückkehr des Bürgermeisters als Rührstück
Die Vorgeschichte ist bekannt:
Der Feldkircher Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold wird im Frühjahr von einer Parteikollegin bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Grund: er habe sie bei einer Klausurtagung der ÖVP Feldkirch vergewaltigt. Bis zum Bekanntwerden der Anzeige verdichten sich Gerüchte, berichtet wird darüber erst, als Berchtold bekannt gibt, dass diese Anzeige gegen ihn vorliege und sein Amt "ruhend" stellt. Die Staatsanwaltschaft braucht insgesamt mehr als ein halbes Jahr, um zu entscheiden, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Ab dem öffentlich werden des Falles beschleunigt sich der Aktenlauf (Feldkirch-Innsbruck-Wien und retour), die Anklageerhebung ist fix und wird am 7. Dezember öffentlich. Am selben Tag kehrt Berchtold nach zweimonatigem Krankenstand in das Amt zurück.
Bis hierher gilt:
- die Unschuldsvermutung für Berchtold, bzw. die Vermutung, dass er die Wahrheit sagt ("bin unschuldig")
- die Unschuldsvermutung für die Frau bzw. die Vermutung, dass sie die Wahrheit sagt ("er hat mich vergewaltigt")
- die Frage, warum die Staatsanwaltschaft so lange braucht für die Ermittlungen und die Entscheidung über Anklageerhebung oder nicht
- die Frage, warum es für Prominente eine Sonderbehandlung durch die Justiz gibt (Ermittlungsverfahren, Einschaltung des Ministeriums)
- dass es grundsätzlich Privatsache von Wilfried B. ist, mit wem er wie oft das Bett teilt, auch, ob er eine langjährige Parallelbeziehung führt oder nicht
Die Rückkehr ins Amt:
Ein Bürgermeister kann entweder sein Amt ausüben, krank sein oder zurücktreten. Eine andere Variante lässt das Gemeindegesetz nicht zu.
Das ist ein Fehler. Kornelia Ratz, Richterin am Landesgericht Feldkirch und stellvertretende Gerichtspräsidentin wurde bei Kürzung ihrer Bezüge vom Dienst suspendiert, als die Testamentsaffäre (Fälschung von Testamenten) öffentlich wurde und sie in Verdacht geriet darin verwickelt zu sein.
Selbiges müsste für Bürgermeister möglich sein.
Berchtold hat sich entschlossen, ins Amt zurückzukehren. Das ist seine Entscheidung, rechtlich gedeckt und von ihm zu verantworten. Wieso ein Bürgermeister das Amt weiterführen können soll, eine Richterin aber nicht erläutert der Gesetzgeber nicht.
Soweit, so kompliziert.
Die Art und Weise allerdings, wie diese Rückkehr ins Amt inszeniert und zelebriert wurde - und das ist jetzt sehr wohl eine persönlich-moralische Bewertung - finde ich äußerst befremdlich. (nachlesen und nachschauen:
http://onapp1.orf.at/studio/vorarlberg/vheute/ondemand.php
http://www.vol.at/news/vorarlberg/artikel/berchtolds-rueckkehr-sorgt-fuer-traenen/cn/news-20101208-07511544/gemeinde/feldkirch
Noch bevor das Gericht überhaupt zusammengetreten ist wird der Bürgermeister als schwer gezeichnetes Opfer dargestellt, dem großes Unrecht widerfahren ist. Die Rückkehr als Rührstück - mit allen Elementen eines Dramas: Schuld, Sühne, Reue, Läuterung.
Dass der Politiker Berchtold dabei die mediale Orgel spielen, das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer hingegen wohl nur eine Faust im Sack machen kann, bleibt nicht ohne Wirkung. Öffentlich wird Meinung gemacht und über Schuld oder Nichtschuld in dieser öffentlichen Meinung entscheiden nicht die Gerichte, sondern der Gesamteindruck der Bilder und Gefühle.
Damit wird Wirklichkeit geschaffen, bevor ein Urteil gefällt ist, Berchtold ist sicher unschuldig, die Frau sagt sicher die Unwahrheit.
Die Unschuldsvermutung wird zur Unschuldsgewißheit, alles andere denkunmöglich...
Jörg Kachelmann und Julian Assange wurden übrigens verhaftet, als gegen sie Anklage wegen des Verdachtes der Vergewaltigung erhoben wurde.
Der Feldkircher Bürgermeister Mag. Wilfried Berchtold wird im Frühjahr von einer Parteikollegin bei der Staatsanwaltschaft angezeigt. Grund: er habe sie bei einer Klausurtagung der ÖVP Feldkirch vergewaltigt. Bis zum Bekanntwerden der Anzeige verdichten sich Gerüchte, berichtet wird darüber erst, als Berchtold bekannt gibt, dass diese Anzeige gegen ihn vorliege und sein Amt "ruhend" stellt. Die Staatsanwaltschaft braucht insgesamt mehr als ein halbes Jahr, um zu entscheiden, ob Anklage erhoben wird oder nicht. Ab dem öffentlich werden des Falles beschleunigt sich der Aktenlauf (Feldkirch-Innsbruck-Wien und retour), die Anklageerhebung ist fix und wird am 7. Dezember öffentlich. Am selben Tag kehrt Berchtold nach zweimonatigem Krankenstand in das Amt zurück.
Bis hierher gilt:
- die Unschuldsvermutung für Berchtold, bzw. die Vermutung, dass er die Wahrheit sagt ("bin unschuldig")
- die Unschuldsvermutung für die Frau bzw. die Vermutung, dass sie die Wahrheit sagt ("er hat mich vergewaltigt")
- die Frage, warum die Staatsanwaltschaft so lange braucht für die Ermittlungen und die Entscheidung über Anklageerhebung oder nicht
- die Frage, warum es für Prominente eine Sonderbehandlung durch die Justiz gibt (Ermittlungsverfahren, Einschaltung des Ministeriums)
- dass es grundsätzlich Privatsache von Wilfried B. ist, mit wem er wie oft das Bett teilt, auch, ob er eine langjährige Parallelbeziehung führt oder nicht
Die Rückkehr ins Amt:
Ein Bürgermeister kann entweder sein Amt ausüben, krank sein oder zurücktreten. Eine andere Variante lässt das Gemeindegesetz nicht zu.
Das ist ein Fehler. Kornelia Ratz, Richterin am Landesgericht Feldkirch und stellvertretende Gerichtspräsidentin wurde bei Kürzung ihrer Bezüge vom Dienst suspendiert, als die Testamentsaffäre (Fälschung von Testamenten) öffentlich wurde und sie in Verdacht geriet darin verwickelt zu sein.
Selbiges müsste für Bürgermeister möglich sein.
Berchtold hat sich entschlossen, ins Amt zurückzukehren. Das ist seine Entscheidung, rechtlich gedeckt und von ihm zu verantworten. Wieso ein Bürgermeister das Amt weiterführen können soll, eine Richterin aber nicht erläutert der Gesetzgeber nicht.
Soweit, so kompliziert.
Die Art und Weise allerdings, wie diese Rückkehr ins Amt inszeniert und zelebriert wurde - und das ist jetzt sehr wohl eine persönlich-moralische Bewertung - finde ich äußerst befremdlich. (nachlesen und nachschauen:
http://onapp1.orf.at/studio/vorarlberg/vheute/ondemand.php
http://www.vol.at/news/vorarlberg/artikel/berchtolds-rueckkehr-sorgt-fuer-traenen/cn/news-20101208-07511544/gemeinde/feldkirch
Noch bevor das Gericht überhaupt zusammengetreten ist wird der Bürgermeister als schwer gezeichnetes Opfer dargestellt, dem großes Unrecht widerfahren ist. Die Rückkehr als Rührstück - mit allen Elementen eines Dramas: Schuld, Sühne, Reue, Läuterung.
Dass der Politiker Berchtold dabei die mediale Orgel spielen, das mutmaßliche Vergewaltigungsopfer hingegen wohl nur eine Faust im Sack machen kann, bleibt nicht ohne Wirkung. Öffentlich wird Meinung gemacht und über Schuld oder Nichtschuld in dieser öffentlichen Meinung entscheiden nicht die Gerichte, sondern der Gesamteindruck der Bilder und Gefühle.
Damit wird Wirklichkeit geschaffen, bevor ein Urteil gefällt ist, Berchtold ist sicher unschuldig, die Frau sagt sicher die Unwahrheit.
Die Unschuldsvermutung wird zur Unschuldsgewißheit, alles andere denkunmöglich...
Jörg Kachelmann und Julian Assange wurden übrigens verhaftet, als gegen sie Anklage wegen des Verdachtes der Vergewaltigung erhoben wurde.
rauch - 8. Dez, 11:13