Zu früh erwachsen, lebensang infantilisiert
Konrad Paul Liessmann und Jochen Hörisch diskutierten gestern im Theater am Saumarkt zum Thema "Bildungskrise". Spannende Debatte, in der wieder einmal klar wurde, dass zwischen Information, Wissen und Bildung gravierende Unterschiede bestehen, an deren Beseitigung die so genannte "Wissensgesellschaft" deshalb so verbissen arbeitet, weil der Aneignungsprozess bei der Bildung Mühe erfordert, die öknomische Verwertbarkeit aber auf sich warten lässt. Bei Information und kurzfristig akkumulierbarem Wissen verhält es sich genau umgekehrt.
Einen Nebensatz von Jochen Hörisch möchte ich sinngemäss wiedergeben, weil, wie mir scheint, es sich lohnt, darüber nachzudenken:
Wir seien konfrontiert mit dem Phänomen, so Hörisch, dass Kinder immer früher erwachsen sein müssen, weil genormte Vorgaben innerhalb des Bildungssystems dies verlangen - wie zum Beispiel die frühe Entscheidung über Schultypenwahl nach der Volksschule. Leistungsdruck dringe immer weiter vor in die jungen und jüngsten Lebensjahre der Kindheit. Aus Kindern würden auf Leistung gedrillte Klein-Erwachsene gemacht.
Gleichzeitig, stellte Hörisch fest, sehe er eine sich immer mehr verfestigende "lebenslange Infantilisierung" ab dem jungen Erwachsenenalter. Anstatt, zum Beispiel auf der Universität, Verantwortung für sein Studium selbst zu übernehmen, würden durch das neue Bachelor-Master-System Vorgaben gemacht, die genau das verhindern würden.
Diese Infantilisierung fände ihren Ausdruck auch in der medialen Öffentlichkeit, wo unter dem Deckmantel der Information vor allem Unterhaltung geboten werde; eigenständiges Denken und das Herstellen von Zusammenhängen sei weder notwendig noch gewünscht. So Hönisch.
(Ich habe das an anderer Stelle hier schon als "fortschreitende Ramba-Zamba-Verblödung" beschrieben.)
Was das Verschwinden der Kindheit angeht, habe ich mich dann allerdings an Philippe Aries ("Die Geschichte der Kindheit") erinnert, der penibel nachgewiesen hat, dass Kindheit im Laufe der Geschichte immer schon ein rasch vorübergehender Zwischenschritt zum Erwachsensein gewesen ist - das galt für Bauernkinder ebenso wie für Königskinder.
Was mich dann wiederum dazu bringt, dem was in der Kindheit - und hier vor allem in der Schule! - geschieht einen hohen Stellenwert einzuräumen, aber verstärkt zu hinterfragen, was es denn auf sich hat, mit den anschließend einsetzenden Infantilisierungstendenzen. Wem es nützt, zum Beispiel, wenn das Volk durchschnittlich gebildet, unterdurchschnittlich interessiert an den sozialen, politischen und ungleichen öknomischen Verhältnissen aber heftig bemüht um die Optimierung des Faktors "Unterhaltung" ist. (Wobei Unterhaltung nicht mehr heißt, sich mit jemandem zu unterhalten, also zu reden, weil dies meistenorts aufgrund des Lärmpegels unmöglich ist, sondern zu "shoppen", zu "zappen" oder sich vollaufen zu lassen).
Jene vermutlich, die im Sinne von Gerfried Sperl (STANDARD von heute) hoffen, dass "anything goes" die handfeste Umsetzung des Thatcher-Prgrammes "There is no alternative" ist.
Einen Nebensatz von Jochen Hörisch möchte ich sinngemäss wiedergeben, weil, wie mir scheint, es sich lohnt, darüber nachzudenken:
Wir seien konfrontiert mit dem Phänomen, so Hörisch, dass Kinder immer früher erwachsen sein müssen, weil genormte Vorgaben innerhalb des Bildungssystems dies verlangen - wie zum Beispiel die frühe Entscheidung über Schultypenwahl nach der Volksschule. Leistungsdruck dringe immer weiter vor in die jungen und jüngsten Lebensjahre der Kindheit. Aus Kindern würden auf Leistung gedrillte Klein-Erwachsene gemacht.
Gleichzeitig, stellte Hörisch fest, sehe er eine sich immer mehr verfestigende "lebenslange Infantilisierung" ab dem jungen Erwachsenenalter. Anstatt, zum Beispiel auf der Universität, Verantwortung für sein Studium selbst zu übernehmen, würden durch das neue Bachelor-Master-System Vorgaben gemacht, die genau das verhindern würden.
Diese Infantilisierung fände ihren Ausdruck auch in der medialen Öffentlichkeit, wo unter dem Deckmantel der Information vor allem Unterhaltung geboten werde; eigenständiges Denken und das Herstellen von Zusammenhängen sei weder notwendig noch gewünscht. So Hönisch.
(Ich habe das an anderer Stelle hier schon als "fortschreitende Ramba-Zamba-Verblödung" beschrieben.)
Was das Verschwinden der Kindheit angeht, habe ich mich dann allerdings an Philippe Aries ("Die Geschichte der Kindheit") erinnert, der penibel nachgewiesen hat, dass Kindheit im Laufe der Geschichte immer schon ein rasch vorübergehender Zwischenschritt zum Erwachsensein gewesen ist - das galt für Bauernkinder ebenso wie für Königskinder.
Was mich dann wiederum dazu bringt, dem was in der Kindheit - und hier vor allem in der Schule! - geschieht einen hohen Stellenwert einzuräumen, aber verstärkt zu hinterfragen, was es denn auf sich hat, mit den anschließend einsetzenden Infantilisierungstendenzen. Wem es nützt, zum Beispiel, wenn das Volk durchschnittlich gebildet, unterdurchschnittlich interessiert an den sozialen, politischen und ungleichen öknomischen Verhältnissen aber heftig bemüht um die Optimierung des Faktors "Unterhaltung" ist. (Wobei Unterhaltung nicht mehr heißt, sich mit jemandem zu unterhalten, also zu reden, weil dies meistenorts aufgrund des Lärmpegels unmöglich ist, sondern zu "shoppen", zu "zappen" oder sich vollaufen zu lassen).
Jene vermutlich, die im Sinne von Gerfried Sperl (STANDARD von heute) hoffen, dass "anything goes" die handfeste Umsetzung des Thatcher-Prgrammes "There is no alternative" ist.
rauch - 17. Feb, 11:12
steppenhund - 24. Feb, 03:09
Danke für diesen Bericht. Ich bin heute zu müde, um Stellung zu beziehen. Aber dass sich bisher niemand gefunden hat, ist für mich auch schon trauriges Indiz genug.
Ich bin nicht mit allem Grünen einverstanden (g), aber bei den für mich vernünftig klingenden Argumenten immer dankbar, dass sie aufgegriffen wurden.
Ich bin nicht mit allem Grünen einverstanden (g), aber bei den für mich vernünftig klingenden Argumenten immer dankbar, dass sie aufgegriffen wurden.
Alexandra L. (Gast) - 18. Nov, 21:11
Danke für die kritische Stellungnahme und das "anreißen" eines sehr komplexen Themas - denn ganz so einfach wie hier dargestellt ist es allemal nicht, zumal die Dysfunktionalität der Gesellschaft als auch des Einzelnen in Systemen anzudenken ist und damit durchwegs sehr komplex. Dass Kindheit immer schon ein rasch verlaufender Prozess war wissen wir, auch, dass der Begriff als auch die Definition des "Kind-seins" historischen Veränderungen unterlag, aber hauptsächlich erst die letzen 100 Jahre ausdifferenziert wurde - und wir dabei immer noch ein wenig im Argen liegen - betrachtet man die Einführung der "Kinderrechte" in die UNO - Menschenrechtskonvention! oder auch die internationale Betrachtungsweise und der Wert der Kindern beigemessen wird auf Teilen der ganzen Welt, ausgedrückt dadurch, wie sehr oder wenig wir Ihnen den Schutz und die Anerkennung zukommen lassen, die sie brauchen! Das Problem liegt unter anderem auch daran, wie ernst man Kinder und ihre Bedürfnisse nimmt, als auch es versteht auf seine "wahren" Bedürfnisse einzugehen im Kontext des mit Ihnen verbundenen Systems! Ich denke nach wie vor, geht es um das Vermitteln grundlegender Werte und damit einher, Kindern und somit späteren Erwachsenen, die Möglichkeit zu bieten in Folge der Erziehung aus sich selbst heraus Alternativen schöpfen zu können zu lernen!(und es gibt wunderbare Positivbeispiele dazu). Dazu braucht es allerdings mutige, neugierige und offene Persönlichkeiten, die gelernt haben, dass Misserfolg nicht so schlimm ist, beständig sich "entwickeln" allerdings Spass macht und herausfordernd sein kann - sprich man die Fähigkeit hat zu sich selbst stehen zu können, und "Dysfunktionalitäten" des Lebens aus-halten zu können um konstruktiv damit umzugehen. Dazu gehört auch, in einer sehr rationalen und "kopflastigen" intellektualisierten Welt, zu der ja auch eine Wissensgesellschaft zählt, das gesamte Gefühlsspektrum anzunehmen und sie entsprechend verarbeiten zu können um "humanistisch" gesund zu sein und um in seinem gesamtes System in dem man sich befindet, positiv wirk - sam sein zu können und Wirk-lichkeit erfahrbar/erlebbar werden zu lassen. Jetzt verraten Sie mir bitte, wo einem in unserer Gesellschaft das heute noch "en gros" vorgelebt wird, wenn es in der Schule schon los geht, sich immer vollends anzupassen, getrichtert und "verzogen", den eigenen Meinungen nicht viel Ausdruck verleihen könnend/oder dürfen, weil alles und jeder zu wenig Zeit hat, zu große "Schwierigkeiten" zu bewältigen sind, und "schmerzhafte" Dinge am liebsten verschwiegen oder naja - drübergelaufen, oder aber stigmatisiert werden - aufgrund unserer kulturellen Tradition zum einen. Zum anderen, weil man manchmal das Gefühl hat, sich richtig zu artikulieren bestehe darin, einen Job zu finden, der "in" ist, Kleidung zu tragen die "in" ist, der richtigen polititischen Bewegung anzugehören die "in" ist und ja keine miese Stimmung aufkommen zu lassen - denn es muss ja Spass machen usw., was es auch kann, wenn man Problemlösungskompetenz als "Spass -machendes" erfährt. Denn im Grunde werden heutzutage mehr Menschen zugebildert, und be - eindruckt, ganz der Konsumgütergesellschaft gemäß zugemüllt, nur mit ziemlich oberflächlichen "Seichtigkeiten"- um genau dieses System wieder zu unterstützen. Dann kommt da noch diese ganze supertolle "Scheinwelt" hinzu, angefangen von den Medien bis hin zu Wirtschaftstreibenden die in Werbesprache alles positiv formulieren versuchen, sogar Berufsbilder und man zu Bewerbungsgesprächen eingeladen wird, in der man eins gut können soll - ein schauspielerisches Multitalent, das es versteht im hellem Glanze voll beleuchtet am Podest zu stehen, emotional intelligent und fachlich bestausgebildet mit unzähligen Praktikas und wenns geht sich seines Wertes nicht bewußt, als Wissensträger gut verwertbar mit dem unerschütterlichem Weltbild vor Augen es jeden beweisen zu müssen -koste es was es wolle -sogar eine Serie unbezahlter Praktika!!!, als Tauschwert am Ende einen Job auf max 3- Jahresfrist und das "in" Sein - mittels Markenidentifikation - wo viel Licht ist, ist gewöhnlicher weise auch viel Schatten - aber von dem reden wir tunlichst bitte nicht. Genauso werden einem dann auch nur allzu oft Paradebeispiele der Ohnmacht und Inkompetenz offeriert - (nur bloss nicht dazu stehen oha) denke ich beispielsweise an das Krisenmangement der Finanzwirtschaft oder auch PB, der Ölindustire im Allgemeinen oder diverser Regierungen. Eine Krise nach der anderen offenbart sich - gefordert wird immer mehr Wissen - doch die Frage ist, wie wird dieses Wissen wirklich nutzbar und ist es immer nutzbares Wissen das nützt??? Denn wie Liessmann auch schon sagt - Wissen läßt sich nicht managen - und gerade das Leben offeriert einem lebenslanges informales, beiläufiges Lernen - in irgendetwas ist jeder Mensch kompetent - oft nicht sichtbar - unbewußt. In Zeiten der Krisen sind zumeist Ideenreichtum gefragt, die Fähigkeit sich und anderen etwas zuzumuten, selbst wenn es nicht immer die "nutzbarste" und "elegante" als auch praktikable "in" Lösung ist - sondern die außergewöhnlichen Wege. Somit kommen wir wieder zu den Biografien und den Lernwelten der einzelnen, die die Gesellschaft gründen und letztlich die Instiution, und zum Ursprung - Kind sein. Kind sein dürfen, bedeutet nicht, sich bis zum 14. Lebensjahr einfach da zu sein, in der Schule trichtern zu lassen, zu spielen, und sich materialistische Wünsche von den Augen ablesen zu lassen, aber auch nicht sich bestimmen zu lassen, was sie zu tun haben -ich denke, das wichtige ist der wirkliche DIALOG und die Auseinandersetzung mit dem jeweils anderen -sich angreifbar zu machen um zu begreifen, sich ausprobieren dürfen in einem kindgerechten Rahmen zudem auch Verantwortung übernehmen gehört - um die "echten" Bedürfnisse, Anliegen, Wünsche und Probleme mit den Eltern gemeinsam zu bewältigen (je nach Alter und Entwicklungsstufe - schon klar) - denn oftmals wird Ihnen zuwenig zugetraut, aber auch zuviel zugemutet. Zudem steht dem gegenüber eine Elternschaft, die mit ihren eigenen Gefühlen oft noch kämpft und nicht gelernt hat, sie anzunehmen, weil sich deren selbst nicht wirklich angenommen wurde. Oft wurden sie ja nur einer Tradition gemäß erzogen mit all ihren Vorteilen aber auch Problemen - teils recht unbewußt, geformt, teils bewußt. Wie also sollen deren Kinder lernen, eine eigenständige, hinterfragende und emotional intelligente Persönlichkeitsstruktur aufzubauen gemäß seiner eigenen Veranlagungen, Interessen und Talente? Was fehlt denn unsere Welt heute? Wonach rufen wir? In einer Zeit in der man am besten zu "funktionieren" hat, sich der Wert der Dinge reduziert auf "Nutzbarkeit" und dem "Erwerblichen", wo Soziales eben auch dieser "Verwertbarkeit" unterzogen wird und fast alles dem neokapitalischem Prinzip unterzogen wird, nichts mehr gut genug und heilig ist, die Strukturen fast keine nicht "Be-ständig-keit" mehr haben, der Veränderung bedarf aber sich von der kulturellen Tradition nicht lösen kann und man sich selbst und der Welt so entfremdet und ver - rückt ist, dass einem letzten Endes gar nichts bleibt als die Zeit "nutzbringend", be-eindruckt totzuschlagen....und nachhaltig (diese Art zu denken braucht es dringender denn je) damit rechnen muss, dass man auf sich selbst zurückgeworfen über ein anderes Wissen verfügt: nämlich jenes, dass das wichtigste sein wird -selbst - (be) stand zu haben und anderen dabei zu helfen - gleiches für sich zu können um gemeinsam - Neues zu schaffen - Lösungen zu kreiern, die Ohnmacht anzunehmen und sie damit überwinden, die Freiheit wiedererlangend Probleme zu lösen und in seiner Vielfältigkeit zu sein ....Die Frage ist - welches Wissen ist wirklich essenz-iell(?) und welches kann ich mir schnell mal um die Ecke um 5.000 Euro erwerben...und dann ist die Frage - wer will sich das leisten und wem und wozu dient es?......aber wie bereits von Ihnen mit dem Zitat Goethes kurz gesagt: bitte um "Mehr Licht!!!!!!"...
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