Usance
Nicht, dass ich erwartet hätte, dass statt Martin Graf etwa Alexander Van der Bellen zum Dritten Nationalratspräsidenten gewählt würde.
Was ich allerdings gehofft habe, vollkommen naiv, wie sich herausstellte, war, dass doch mehr als nur zwanzig Abgeordnete von SPÖ und ÖVP ihn nicht wählen würden. Er hat 109 Stimmen bekommen. Diese 109 Abgeordneten finden es offensichtlich vollkomen in Ordnung, dass jemand, der nicht in der Lage ist, sich eindeutig vom Nationalsozialismus zu distanzieren, eines der höchsten Ämter erhält, das in einer parlamentarischen Demokratie zu vergeben ist.
Man beruft sich auf die "Usancen" und meint damit, dass man sich halt arrangiert, mit dem, was (unvermeidlich) ist.
Unterschied zu Deutschland: dort hält der Nachkriegskonsens gegen die Rechten. In Österreich hat es ihn nie gegeben.
"Ihr habt aus der Geschichte nichts gelernt!"
(Nicht alles, was so in die Höhe gehalten wird im Parlament ist geistreich und gut; dies hier war notwendig.)
Wer sich zum Thema "Nichts gelernt aus der Geschichte" gerne verblüffen lassen möchte, lese das hier:
Wenn-die-Boersenkurse-fallen (pdf, 5 KB)
Der Text stammt aus dem Jahr 1930....
Korrektur 29. Oktober: der Text ist ein fake und ich bin reingefallen!
(siehe Kommentare und link unten!)
Was ich allerdings gehofft habe, vollkommen naiv, wie sich herausstellte, war, dass doch mehr als nur zwanzig Abgeordnete von SPÖ und ÖVP ihn nicht wählen würden. Er hat 109 Stimmen bekommen. Diese 109 Abgeordneten finden es offensichtlich vollkomen in Ordnung, dass jemand, der nicht in der Lage ist, sich eindeutig vom Nationalsozialismus zu distanzieren, eines der höchsten Ämter erhält, das in einer parlamentarischen Demokratie zu vergeben ist.
Man beruft sich auf die "Usancen" und meint damit, dass man sich halt arrangiert, mit dem, was (unvermeidlich) ist.
Unterschied zu Deutschland: dort hält der Nachkriegskonsens gegen die Rechten. In Österreich hat es ihn nie gegeben.
"Ihr habt aus der Geschichte nichts gelernt!"
(Nicht alles, was so in die Höhe gehalten wird im Parlament ist geistreich und gut; dies hier war notwendig.)
Wer sich zum Thema "Nichts gelernt aus der Geschichte" gerne verblüffen lassen möchte, lese das hier:
Wenn-die-Boersenkurse-fallen (pdf, 5 KB)
Der Text stammt aus dem Jahr 1930....
Korrektur 29. Oktober: der Text ist ein fake und ich bin reingefallen!
(siehe Kommentare und link unten!)
rauch - 28. Okt, 17:20
Johann T. - 28. Okt, 18:47
Bin auch enttäuscht...
...denn ich habe heimlich auf ein kleines Wunder gehofft. Dass aber so viele 'die Hand gehoben' haben, überrascht mich doch...
p.s. das Gedicht von Tucholsky ist super - kaum zu glauben, dass sich das alles Punkt für Punkt wiederholt.
p.s. das Gedicht von Tucholsky ist super - kaum zu glauben, dass sich das alles Punkt für Punkt wiederholt.
Manfred (Gast) - 28. Okt, 19:52
Ja der gute, alte Kurt!
Dem Text ist nichts hinzuzufügen.
...und dass van der Bellen mit 27 Stimmen gegen einen Herrn Graf den Kürzeren zieht - da kann man nur staunend feststellen: Gewohnheitsrecht geht vor Haltung, Qualifikation und klarer Abrgenzung zum NS - Regime!
...und dass van der Bellen mit 27 Stimmen gegen einen Herrn Graf den Kürzeren zieht - da kann man nur staunend feststellen: Gewohnheitsrecht geht vor Haltung, Qualifikation und klarer Abrgenzung zum NS - Regime!
Georg Pichler (Gast) - 29. Okt, 01:46
Das Gedicht ist nicht von Tucholsky...
sondern von einem gewissen Richard G. Kerschhofer, "freiheitlich" laut Selbstbezeichnung. Siehe:
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1618259_Freiheitlich.html
Das hier hat Tucholsky unter dem Pseudonym Theobald Tiger in der "Weltbühne" publiziert:
Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf euern Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.
Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein,
wir wollen freie Wirtschaftler sein!
Fort die Gruppen – sei unser Panier!
Na, ihr nicht.
Aber wir.
Ihr braucht keine Heime für eure Lungen,
keine Renten und keine Versicherungen.
Ihr solltet euch allesamt was schämen,
von dem armen Staat noch Geld zu nehmen!
Ihr sollt nicht mehr zusammenstehn –
wollt ihr wohl auseinandergehn!
Keine Kartelle in unserm Revier!
Ihr nicht.
Aber wir.
Wir bilden bis in die weiteste Ferne
Trusts, Kartelle, Verbände, Konzerne.
Wir stehen neben den Hochofenflammen
in Interessengemeinschaften fest zusammen.
Wir diktieren die Preise und die Verträge –
kein Schutzgesetz sei uns im Wege.
Gut organisiert sitzen wir hier ...
Ihr nicht.
Aber wir.
Was ihr macht, ist Marxismus.
Nieder damit!
Wir erobern die Macht, Schritt für Schritt.
Niemand stört uns. In guter Ruh
sehn Regierungssozialisten zu.
Wir wollen euch einzeln. An die Gewehre!
Das ist die neuste Wirtschaftslehre.
Die Forderung ist noch nicht verkündet,
die ein deutscher Professor uns nicht begründet.
In Betrieben wirken für unsere Idee
die Offiziere der alten Armee,
die Stahlhelmleute, Hitlergarden ...
Ihr, in Kellern und in Mansarden,
merkt ihr nicht, was mit euch gespielt wird?
mit wessen Schweiß der Gewinn erzielt wird?
Komme, was da kommen mag.
Es kommt der Tag,
da ruft der Arbeitspionier:
»Ihr nicht.
Aber Wir. Wir. Wir.«
http://www.fr-online.de/in_und_ausland/kultur_und_medien/feuilleton/1618259_Freiheitlich.html
Das hier hat Tucholsky unter dem Pseudonym Theobald Tiger in der "Weltbühne" publiziert:
Ihr sollt die verfluchten Tarife abbauen.
Ihr sollt auf euern Direktor vertrauen.
Ihr sollt die Schlichtungsausschüsse verlassen.
Ihr sollt alles Weitere dem Chef überlassen.
Kein Betriebsrat quatsche uns mehr herein,
wir wollen freie Wirtschaftler sein!
Fort die Gruppen – sei unser Panier!
Na, ihr nicht.
Aber wir.
Ihr braucht keine Heime für eure Lungen,
keine Renten und keine Versicherungen.
Ihr solltet euch allesamt was schämen,
von dem armen Staat noch Geld zu nehmen!
Ihr sollt nicht mehr zusammenstehn –
wollt ihr wohl auseinandergehn!
Keine Kartelle in unserm Revier!
Ihr nicht.
Aber wir.
Wir bilden bis in die weiteste Ferne
Trusts, Kartelle, Verbände, Konzerne.
Wir stehen neben den Hochofenflammen
in Interessengemeinschaften fest zusammen.
Wir diktieren die Preise und die Verträge –
kein Schutzgesetz sei uns im Wege.
Gut organisiert sitzen wir hier ...
Ihr nicht.
Aber wir.
Was ihr macht, ist Marxismus.
Nieder damit!
Wir erobern die Macht, Schritt für Schritt.
Niemand stört uns. In guter Ruh
sehn Regierungssozialisten zu.
Wir wollen euch einzeln. An die Gewehre!
Das ist die neuste Wirtschaftslehre.
Die Forderung ist noch nicht verkündet,
die ein deutscher Professor uns nicht begründet.
In Betrieben wirken für unsere Idee
die Offiziere der alten Armee,
die Stahlhelmleute, Hitlergarden ...
Ihr, in Kellern und in Mansarden,
merkt ihr nicht, was mit euch gespielt wird?
mit wessen Schweiß der Gewinn erzielt wird?
Komme, was da kommen mag.
Es kommt der Tag,
da ruft der Arbeitspionier:
»Ihr nicht.
Aber Wir. Wir. Wir.«
rauch - 29. Okt, 08:24
tja: reingefallen....
...wenigstens bin ich nicht der einzige; die große "Süddeutsche" hat es auch erwischt. Zur Wiedergutmachung hier eine sichere Tucholsky-Quelle: http://www.sudelblog.de/?p=378
Trotzdem peinlich: die gesammelten Werke zuhause und dennoch nicht stutzig geworden....
Trotzdem peinlich: die gesammelten Werke zuhause und dennoch nicht stutzig geworden....
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