Ich hätte da mal eine einfache Frage:
Eigentlich sind es zwei Fragen:
Warum hat die Weltwirtschaftskrise von 1929 (und Folgejahre) in den USA zum "New Deal", in Deutschland aber zum Faschismus geführt?
Wird Europa diesesmal - EU sei Dank? - eine klügere Antwort finden?
Hinweise, links und eigene Antworten herzlich willkommen!
Warum hat die Weltwirtschaftskrise von 1929 (und Folgejahre) in den USA zum "New Deal", in Deutschland aber zum Faschismus geführt?
Wird Europa diesesmal - EU sei Dank? - eine klügere Antwort finden?
Hinweise, links und eigene Antworten herzlich willkommen!
rauch - 26. Mär, 14:36
signof (Gast) - 26. Mär, 15:34
1.) USA waren vorher schon laenger "demokratisch", Deutschland wohl nicht wirklich stabil. Was wohl in der Empfaenglichkeit der Bevoelkerung fuer extreme Ideen ausgewirkt hat.
2.) Wirtschaftlich gabs auch vor 1929 in Deutschland schon Probleme, die Moeglichkeiten des Staates einzugreifen waren aber eingeschraenkt (u.a., wegen der Reparationszahlungen nach dem 1.WK)
2.) Wirtschaftlich gabs auch vor 1929 in Deutschland schon Probleme, die Moeglichkeiten des Staates einzugreifen waren aber eingeschraenkt (u.a., wegen der Reparationszahlungen nach dem 1.WK)
Anton Kurt - 26. Mär, 16:21
Der Friede nach Weltkrieg I
wurde weder in D noch in Ö akzeptiert, insbesonders wegen der wirtschaftlichen Behinderungen für Entwicklung. Gerade dazu hat ja die USA gelernt?! und nach 1945 als Siegermacht bessere Lösungen gefunden.
Michael (Gast) - 26. Mär, 20:56
Sorry, ein etwas längerer Kommentar. Es ist aber wichtig, dass jeder versteht, dass der New Deal nichts erstrebenswertes ist sondern Berührungspunkte mit dem Faschismus aufwies.
Grundsätzlich muss man verstehen, dass der Faschismus in den 20ern und 30ern einfach "Hip" war - das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa und auch für die USA.
Wenn man heute über Faschismus spricht, dann denkt man oft an Weltkrieg, Holocaust, Gestapo usw.. Aber das ist aus dieser Perspektive (also 1932) zunächst nicht richtig - das stand am Ende, am Anfang war alles ganz anders. Der Faschismus war eine Bewegung, die eine Verbesserung für die Menschen wollte, die ihre Anhänger an den Universitäten und unter den Studenten hatte, die sich für eine bessere Welt einsetzten.
Mussolini war zunächst (bis zu seinem Äthiopienkrieg und seiner Annäherung an Hitler) in den USA unter den (progressiven bzw. linken) Intellektuellen sehr populär. Obwohl die meisten amerikanischen Intellektuellen den Faschismus nicht 1:1 übernehmen wollten, wollten sie Elemente des Faschismus auch in die amerikanische Gesellschaft übernehmen. Vor dem Hintergrund der Depression (aber auch schon vorher) galt "the american way" als überholt. Faschismus war eine verlockende Alternative.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der "New Deal" nicht wirklich frei von Elementen ist, die man als faschistisch bezeichnen kann.
Zunächst war da die Militarisierung des Zivillebens. Roosevelt sagte in seiner Antrittsrede: "I assume unhesitatingly the leadership of this great army of our people dedicated to a disciplined attack upon our common problems.".
Im "Civilian Conservation Corps" (das populärste New Deal Programm) war ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für 2.5 Millionen junge Männer, das von Militärs organisiert wurde, die Männer trugen Militäruniformen, mussten in Formation marschieren, usw.. Der Paralmentssprecher sagte zu dem Programm: "They are also under military training and as they come out of it the come out improved in health and developed mentally and physically and are more useful citizens and if ever we should become involved in another war they would furnish a very valuable nucleus for our army.".
Der "National Industrial Recovery Act" (NIRA) erlaubte jedem, der sich diesem Gesetz unterwarf ein Emblem mit dem Blauen Adler mit dem Schriftzug "We do our part" (Gemeinnutz vor Eigennutz?) in seinem Geschäft/Firma aufzuhängen. NIRA sah vor, dass Firmen einer Branche ein Kartell bildeten und Regeln festschrieben, an die sich alle Firmen dieser Branche halten mussten. Die Teilnahme am Programm war aber nicht wirklich freiwillig. General Hugh Johnson, der Leiter des Programms sagte: "When every American housewife understands that the Blue Eagle on everything that she permits to come into her home is a symbol of its restoration to security, may God have mercy on the man or group of men who attempt to trifle with this bird.". Weiters durfte der Präsident von der Industrie aufgestellte Regelungen zum Gesetz erheben (ohne Zustimmung des Parlaments). Die Politik war bei der Durchsetzung der Programms nicht gerade zimperlich. Eine kleine Hühnerfarm (was irgendwie ironisch ist) brachte den NIRA zu Fall, weil sie vor dem Verfassungsgericht dagegen klagte.
Das war jetzt nur eine kleine Auswahl. Ob das jetzt das faschistisch bezeichnet werden kann oder nicht, darüber kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Aber ich glaube kaum, dass man das als eine gute Sache bezeichnen kann, oder?
Grundsätzlich muss man verstehen, dass der Faschismus in den 20ern und 30ern einfach "Hip" war - das gilt nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa und auch für die USA.
Wenn man heute über Faschismus spricht, dann denkt man oft an Weltkrieg, Holocaust, Gestapo usw.. Aber das ist aus dieser Perspektive (also 1932) zunächst nicht richtig - das stand am Ende, am Anfang war alles ganz anders. Der Faschismus war eine Bewegung, die eine Verbesserung für die Menschen wollte, die ihre Anhänger an den Universitäten und unter den Studenten hatte, die sich für eine bessere Welt einsetzten.
Mussolini war zunächst (bis zu seinem Äthiopienkrieg und seiner Annäherung an Hitler) in den USA unter den (progressiven bzw. linken) Intellektuellen sehr populär. Obwohl die meisten amerikanischen Intellektuellen den Faschismus nicht 1:1 übernehmen wollten, wollten sie Elemente des Faschismus auch in die amerikanische Gesellschaft übernehmen. Vor dem Hintergrund der Depression (aber auch schon vorher) galt "the american way" als überholt. Faschismus war eine verlockende Alternative.
Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass der "New Deal" nicht wirklich frei von Elementen ist, die man als faschistisch bezeichnen kann.
Zunächst war da die Militarisierung des Zivillebens. Roosevelt sagte in seiner Antrittsrede: "I assume unhesitatingly the leadership of this great army of our people dedicated to a disciplined attack upon our common problems.".
Im "Civilian Conservation Corps" (das populärste New Deal Programm) war ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für 2.5 Millionen junge Männer, das von Militärs organisiert wurde, die Männer trugen Militäruniformen, mussten in Formation marschieren, usw.. Der Paralmentssprecher sagte zu dem Programm: "They are also under military training and as they come out of it the come out improved in health and developed mentally and physically and are more useful citizens and if ever we should become involved in another war they would furnish a very valuable nucleus for our army.".
Der "National Industrial Recovery Act" (NIRA) erlaubte jedem, der sich diesem Gesetz unterwarf ein Emblem mit dem Blauen Adler mit dem Schriftzug "We do our part" (Gemeinnutz vor Eigennutz?) in seinem Geschäft/Firma aufzuhängen. NIRA sah vor, dass Firmen einer Branche ein Kartell bildeten und Regeln festschrieben, an die sich alle Firmen dieser Branche halten mussten. Die Teilnahme am Programm war aber nicht wirklich freiwillig. General Hugh Johnson, der Leiter des Programms sagte: "When every American housewife understands that the Blue Eagle on everything that she permits to come into her home is a symbol of its restoration to security, may God have mercy on the man or group of men who attempt to trifle with this bird.". Weiters durfte der Präsident von der Industrie aufgestellte Regelungen zum Gesetz erheben (ohne Zustimmung des Parlaments). Die Politik war bei der Durchsetzung der Programms nicht gerade zimperlich. Eine kleine Hühnerfarm (was irgendwie ironisch ist) brachte den NIRA zu Fall, weil sie vor dem Verfassungsgericht dagegen klagte.
Das war jetzt nur eine kleine Auswahl. Ob das jetzt das faschistisch bezeichnet werden kann oder nicht, darüber kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein. Aber ich glaube kaum, dass man das als eine gute Sache bezeichnen kann, oder?
rauch - 26. Mär, 21:07
danke für den text
ich sollte vielleicht erklären, warum ich auf die fragen komme. dieser artikel hier http://www.monde-diplomatique.de/pm/2009/03/13.mondeText1.artikel,a0035.idx,7
zeigt im vergleich verschiedener länder und verschiedener reaktionen auf wirtschaftskrisen mögliche muster auf. ziemlich interessant finde ich daran, dass z.b. die größe und innere verfasstheit eines landes mitbestimmend ist. seinerzeit war europa straff nationalstaatlich organisiert. könnte man zwar heute auch noch meinen, aber immerhin gibt´s die EU. Insofern interessiert mich, ob sich die (möglichen) muster verändert haben. reichlich theoretische überlegung, ich weiss, aber inzwischen mache ich mir ein paar sorgen über ein paar erkennbare konkrete entwicklungen....
zeigt im vergleich verschiedener länder und verschiedener reaktionen auf wirtschaftskrisen mögliche muster auf. ziemlich interessant finde ich daran, dass z.b. die größe und innere verfasstheit eines landes mitbestimmend ist. seinerzeit war europa straff nationalstaatlich organisiert. könnte man zwar heute auch noch meinen, aber immerhin gibt´s die EU. Insofern interessiert mich, ob sich die (möglichen) muster verändert haben. reichlich theoretische überlegung, ich weiss, aber inzwischen mache ich mir ein paar sorgen über ein paar erkennbare konkrete entwicklungen....
signof (Gast) - 27. Mär, 09:42
Danke auch fuer die detailreiche aber trotzdem kurze Zusammenfassung. (Übrigens war Mussolini war zu anfang seiner Karriere ja eigentlich auch ein Linker ... bis etwa zum 1. WK, wenn ich mich richtig an die ARTE Docu erinnere). Was mir noch einfiel ist dass es Wirtschaftswissenschaftler gibt die den Erfolg des New Deal in Frage stellen und meinen die Amerikanische Wirtschaft haette sich erst an den Militaerausgaben waehrend des 2. Weltkriegs gesundgestossen.
Um auf den EU Teil der Frage einzugehen: Ich glaube nicht dass das richtige Verhalten der EU aus irgendeinem der damaligen Zeit ablesbar ist. Ich denke dass in diesem Fall die verschiedenen Meinungen (von Staaten) die einander ja auch in dieser Frage blockieren vielleicht sogar hilfreich sind, weil sie zu einem ueberlegten Vorgehen zwingen, und auch Ruhe ausstrahlen.
Nachdem die EU eine Einmaligkeit in der Welt und ihrer Geschichte ist, die ihre eigenen Regeln hat (und macht), muss meiner Meinung nach auch die Antwort der EU klarerweise ebenso suis generis sein. Wer also von der EU ein Vorgehen wie von einem Nationalstaat verlangt (Milliarden oder wie die USA Trillionen in die Wirtschaft pumpen) hat m.E. nach die EU nicht verstanden, obwohl ich auch nicht sagen kann was ihre Antwort sein soll.
Um auf den EU Teil der Frage einzugehen: Ich glaube nicht dass das richtige Verhalten der EU aus irgendeinem der damaligen Zeit ablesbar ist. Ich denke dass in diesem Fall die verschiedenen Meinungen (von Staaten) die einander ja auch in dieser Frage blockieren vielleicht sogar hilfreich sind, weil sie zu einem ueberlegten Vorgehen zwingen, und auch Ruhe ausstrahlen.
Nachdem die EU eine Einmaligkeit in der Welt und ihrer Geschichte ist, die ihre eigenen Regeln hat (und macht), muss meiner Meinung nach auch die Antwort der EU klarerweise ebenso suis generis sein. Wer also von der EU ein Vorgehen wie von einem Nationalstaat verlangt (Milliarden oder wie die USA Trillionen in die Wirtschaft pumpen) hat m.E. nach die EU nicht verstanden, obwohl ich auch nicht sagen kann was ihre Antwort sein soll.
Michael (Gast) - 27. Mär, 10:43
@rauch: Ich hatte es zuerst so verstanden, dass Du den New Deal etwas positives auffasst (im Vergleich zum NS ist der das natürlich auch).
Eine Antwort dafür, warum sich in den USA der Faschismus - wenn er auch eine gewisse Popularität hatte - nicht entfalten konnte ist glaub ich die Verfassung der USA. Die Gerichte haben dort die extremsten Auswüchse des New Deal zu Fall gebracht, weil sie Verfassungswidrig sind.
In der Weimarer Republik war mit der Verfassung nicht viel los (bzw. war wegen den ganzen Notverordnungen eh außer Kraft gesetzt). Leider ist es auch heute noch in Europa so, dass auf die Verfassung nicht wirklich viel Wert gelegt wird.
Wenn in Österreich mal ein Gesetz nicht Verfassungkonform ist, wird es einfach in die Verfassung geschrieben und die Parteien verwenden Verfassungsgesetze zu taktischen zwecken (Klassenschülerhöchstzahl, Tierschutz in die Verfassung usw.). Und das BZÖ steht in Kärnten sowieso irgendwie über der Verfassung.
Eine Antwort dafür, warum sich in den USA der Faschismus - wenn er auch eine gewisse Popularität hatte - nicht entfalten konnte ist glaub ich die Verfassung der USA. Die Gerichte haben dort die extremsten Auswüchse des New Deal zu Fall gebracht, weil sie Verfassungswidrig sind.
In der Weimarer Republik war mit der Verfassung nicht viel los (bzw. war wegen den ganzen Notverordnungen eh außer Kraft gesetzt). Leider ist es auch heute noch in Europa so, dass auf die Verfassung nicht wirklich viel Wert gelegt wird.
Wenn in Österreich mal ein Gesetz nicht Verfassungkonform ist, wird es einfach in die Verfassung geschrieben und die Parteien verwenden Verfassungsgesetze zu taktischen zwecken (Klassenschülerhöchstzahl, Tierschutz in die Verfassung usw.). Und das BZÖ steht in Kärnten sowieso irgendwie über der Verfassung.
Trackback URL:
https://rauch.twoday.net/stories/5608206/modTrackback